Union Berlin bleibt nach der Niederlage in Aue ganz unten

»Zwei gekreuzte Hämmer und ein großes W / das ist Wismut Aue, unsere BSG / Wir kommen aus der Tiefe, wir kommen aus dem Schacht, / Wismut Aue, die neue Fußballmacht«

Aue ist aus der Tiefe der dritten Liga emporgestiegen. Auch wenn von Wismut, Hämmern und BSG nichts mehr zu sehen ist und der Verein mittlerweile »FC Erzgebirge Aue« heißt – der alte Schlachtruf ist geblieben. Vergessen ist die große Zeit nicht. Keine Mannschaft der DDR hat mehr Oberligaspiele als Wismut (1019), erst ein Jahr vor Ende der DDR-Oberliga stieg man nach 39 Jahren ab. In den folgenden Jahren konnte Aue sich aber, anders als die meisten anderen namhaften sächsischen Vereine, durch sparsames Wirtschaften in der Drittklassigkeit halten. Nun ist Aue wieder oben, zumindest in Liga zwei. In Leipzig, Dresden und Chemnitz schaut man neidisch ins Erzgebirge.

Unter diesen Umständen herrschte nach den beiden Auftaktniederlagen keine Aufregung im Erzgebirge. Anders sah das beim Gegner aus, für den es das zweite Ostderby in fünf Tagen war. Wie Aue stand der 1. FC Union Berlin nach zwei Spieltagen ohne Punkte da, und so ging es für beide um viel. Nicht zuletzt deshalb hatten etwa 2000 Berliner den beschwerlichen Weg in die kleinste Stadt und in eine der schönsten Arenen des deutschen Profifußballs auf sich genommen.

Als das heutige Erzgebirgsstadion noch nach Otto Grotewohl hieß, feierte Wismut hier vor allem in den fünfziger Jahren große Erfolge. Dreimal wurde man DDR-Meister, gewann in der Übergangsrunde 1955 einen Ikarus-Bus, holte im gleichen Jahr den FDGB-Pokal und spielte 1957 als erster DDR-Verein im Europapokal der Landesmeister. Allerdings taucht »Aue« in keiner offiziellen Liste auf, denn in der großen Zeit von 1954 bis 1963 spielte man unter dem Namen SC Wismut Karl-Marx-Stadt. Nach der Weigerung der Spieler, in die Bezirkshaupstadt zu ziehen, und nach Streikdrohungen der Wismut-Kumpel durfte man auf Anordnung von ganz oben in Aue bleiben. Unter Fritz Gödicke holte man 1956 mit schnörkellosem Angriffsfußball die erste Meisterschaft.

Spieler wie Stürmer Willy Tröger oder das »magische Viereck« Armin Günther, Manfred Kaiser, Karl und Siegfried Wolf hat Aue heute nicht mehr, der Etat ist bescheiden. Was aber in Liga drei mit einheimischen Akteuren und einigen Osteuropäern funktionierte, muß eine Etage höher nicht schlecht sein. So versuchten die Auer am Freitag, gleich einmal das Berliner Tor zu stürmen. Skedilaid Curri wirbelte auf der rechten Seite hinten wie vorne, der Sturmlauf hatte aber keinen Erfolg. Es kam, wie es kommen mußte: Nach einigen vergeblichen Anläufen, bei denen die Auer Abwehr um Libero Jörg Emmerich nicht gerade gut aussah, war Kostadin Vidolov da und erzielte mit einem Schlenzer nach gut 20 Minuten das 1:0 für Union. Die Auer Spieler und Fans waren geschockt, dafür hallte es jetzt »Eisern Union« durch das Lößnitztal. Zehn Minuten brauchte die Heimelf, um sich zu finden. Dann setzte sich Khvicha Shubitidze durch, und Matthias Heidrich erzielte den Ausgleich. Fortan bewiesen auch die etwa 10000 Fans der »Veilchen« ihre Zweitligatauglichkeit. Die Berge schienen zu beben, und die Mannschaft legte nach: Während die Berliner Abwehr das Panorama zu genießen schien, gelang Shubitidze kurz vor der Pause das 2:1.

In der zweiten Hälfte ging es fast nur noch auf ein Tor. Aue verteidigte, und Berlin spielte. Besonders Steffen Baumgart rackerte unermüdlich. Etwas Zählbares kam nicht mehr heraus, und nun bewies auch die Auer Abwehr ihre Klasse. Kurz vor Schluß wurde Union auch noch dezimiert. Dario Dabac erhielt für eine vermeintliche Notbremse die Rote Karte. Als Schiedsrichter Hermann Albrecht den Berlinern auch noch einen möglichen Elfmeter verweigerte, war der Sündenbock wieder ausgemacht. Die Auer Fans konnten so den etwas glücklichen ersten Sieg in der zweiten Liga und ein schönes Spiel ihrer Mannschaft feiern, während der Berliner Anhang frustriert über die dritte Pleite in Folge den Innenraum stürmten.

Bereits im Laufe des Spiels war die Polizei kurzzeitig in den Fan-Block der Unioner eingedrungen und hatte Stellung bezogen. Nach der roten Karte drängten die Fans nach innen. Die Polizei ging nach Angaben der Fans mit Pfefferspray vor, sah dann aber tatenlos zu, als die Menge durch ein plötzlich offenes Tor aufs Spielfeld drängte und die Mannschaft aufforderte, aus den Kabinen zu kommen. Passend zum Ostderby, hatte das Fernsehen sein Chaos, denn bevor die Berliner ihre Spieler feiern konnten, mußte die Liveübertragung bei »Premiere« beendet werden. Ein Tor fiel um, und ein Fernsehmitarbeiter wurde verletzt. Für die Medien war damit die Schuldfrage geklärt, die Frage nach der Mitverantwortung der Polizeitaktik wurde gar nicht erst gestellt.

Union steht jetzt weiter mit dem Rücken zur Wand und Trainer Mirko Votava vor der Entlassung, wenn gegen Greuther Fürth am Sonntag erneut verloren wird. Aue kann hingegen wesentlich entspannter nach Aachen reisen.